DER UNTERSCHIED ZWISCHEN "NETT" und "GUT ERZOGEN"
Ist der Besitzer Schuld, wenn sein Hund andere Hunde nicht mag?
Um diese Frage zu beantworten muss erst ein wichtiger Unterschied verstanden werden:
Der Unterschied zwischen „nett“ und „gut erzogen“.
Sich hier und da gegenseitig zu prügeln gehört zum ganz normalen Hundeverhalten und zum sozialen Ausdruck unserer Haustiere. Ob uns das jetzt gefällt, oder nicht.
Hunde setzen ihre Interessen über Drohungen durch und wenn das nicht ausreicht, dann eben über körperliche Auseinandersetzungen in einem angemessenen Maße. Rempeln, Schubsen, zu Boden drücken und auch gehemmtes Beißen gehören dazu und aus Hundesicht gibt es damit auch überhaupt kein Problem. Kleinere Verletzungen können da schon mal vorkommen.
Ein „gesundes“ Aggressionsverhalten“, was zu Drohen und angemessenen Auseinandersetzungen ohne Verletzungsabsicht führt ist also normal und gehört zur Grundausstattung eines psychisch gesunden Hundes dazu. Es geht um Ressourcen, Abstand, Verteidigung, Konkurrenz, Möglichkeiten Entscheidungen zu übernehmen oder sich sozial auszuweiten. Niemals Aggressionsverhalten zeigen zu wollen, oder zu können dagegen wäre aus biologischer Sicht krank, auch wenn wir Menschen uns das oft wünschen. Ohne Aggression und den Willen sich durch zu setzen gibt es keine Weiterentwicklung und keine Entscheidungsträger. Kein „Mein“ und „Dein“ und keinen Schutz der eigenen Bedürfnisse.
Grade wir Menschen, als hochsoziale Lebewesen mit hohem Aggressionspotenzial, viel aggressiver Kommunikation und Auseinandersetzungen sollten das eigentlich kennen und wissen, dass nicht jeder, der sich mal streitet gleich ein psychopathischer Killer ist, oder ein schweres Kindheitstrauma hat. Streit (ohne Mord und Totschlag) gehört dazu.
Egal wie viel Erziehung wir in unsere Hunde stecken, Aggressionsverhalten ist nicht zu vermeiden und normal, so lange sie der Durchsetzung der eigenen Interessen gilt. Zum Glück vieler Besitzer ist die Bereitschaft vieler Hunde zu streiten recht gering.
Im Großen und Ganzen sind Hunde sehr, sehr nett und friedlich! Ob ein Hund Spaß, oder gesteigertes Interesse an Auseinandersetzungen hat hängt zuallererst an seiner Genetik und seinem hormonellem Zustand. Nicht unbedingt am besonderen Können, und ganz bestimmt nicht an der größeren Liebe der Besitzers!
Hunde, die sich nur mit wenigen Hunden vertragen können gleichzeitig bestens erzogen und bestens sozialisiert worden sein und bei einem hochkompetenten Besitzer leben.
Wir haben einen großen Einfluss auf unsere Hunde, aber was ein Hund mag oder nicht mag ist mehr als Erziehung und Sozialisierung. Einen Besitzer zu verurteilen, weil sein Hund sich mit anderen Hunden nicht verträgt und nicht mit allen Anderen frei laufen kann, wäre also falsch. Ob der Hund aus einer Lust heraus, sich auseinander zu setzen, wirklich los marschiert und seine Ideen umsetzte, das hängt dagegen wirklich ausschließlich an der Erziehung und Handlungsfähigkeit des Besitzers! Es ist also nicht die Bereitschaft zur Aggression ab erziehbar, aber durchaus eine Kontrolle des Verhaltens an erziehbar, das Kämpfe vermeidet.
Was der Besitzer eines unverträglichen Hundes erreichen kann, ist ein ordentliches an der Leine laufen, obwohl der Erzfeind den Weg passiert. Ohne Gebell und Gebrüll: Eine Erziehungsfrage. Einen zuverlässigen Rückruf, auch wenn ein anderer Hund um die Ecke kommt: Auch mit unverträglichen Hunden herstellbar, durch konsequente Erziehung. Ein Dranbleiben ohne Leine und an anderen Hunden vorbeigehen, ohne sich auf den anderen Hund zu stürzen: Erziehungssache. Diese Dinge gehören in die Beziehung und Erziehung zwischen Hund und Mensch.
Ebenfalls in die Kompetenz des Besitzers fällt die korrekte Einordnung von gefährlichen Situationen. Sprich: zu wissen, was für seinen Hund machbar ist und was nicht. Verbunden mit der unabdingbaren Höflichkeit anderen Hundebesitzern und deren Hunden gegenüber, denn auch wenn es normal ist, dass Hunde sich in die Haare bekommen, so ist es ganz bestimmt unhöflich und unnötig die Hunde einfach so auf fremde Hunde los gehen zu lassen, anstatt sie einfach angeleint vorbei zu führen, oder die öffentliche Hundewiese mit seinem unverträglichen Hund zu meiden.
Ob ein Hund andere Hunde mag oder nicht, liegt also an ihm.
Ob er seiner möglichen Abneigung gegenüber anderen Hunden nachgeht und sie verkloppt, liegt an uns.
Hilfreich für die Besitzer unverträglicher Hunde wäre dann auch die Akzeptanz dieser verantwortungsvollen Vorsorge durch Hundebesitzer mit netten Hunden. Wer seinen netten Hund nicht einfach zu einem Hund an der Leine, oder im strikten „bei Fuß“ rennen lässt, der vermeidet eine unvermeidbare Auseinandersetzung, denn gut erzogen ist eben nicht gleich nett. Und der brav neben dem Besitzer gehende Hund ist eben eventuell unverträglich und wird verständlicherweise in einen Kampf gehen, wenn ihm jemand in den offenen Schlund springt. Da kann dann auch der Besitzer irgendwann nichts mehr machen.
Viele Hunde sind auch schlicht ungeeignet um auf Hundespielwiesen mit allen frei herum zu tollen. Es ist wunderbar, wenn das klappt, geht aber für viele erwachsenen Hunde einfach nicht. Als Besucher einer Hundespielwiese bekommt man schnell den Eindruck, dass es normal sei, dass alle Hunde sich schon irgendwie vertragen, weil man es täglich so sieht. Die andere Seite trifft man eben nicht und da wirkt es oft, wie eine Ausnahme, wenn mal einer nur ausgewählte Freunde hat, manche Hunde eher blöd findet und einige sogar gerne verprügeln möchte. Diese Hunde sind aber genauso verbreitet wie die „Netten“. Sie gehen nur dort spazieren, wo sie weniger unangeleinte Hunde treffen.
Für einen verantwortungsvollen Umgang mit seinem unverträglichen Hund braucht der Mensch eine Übersicht darüber, wie er selbst Streitpunkte vermeiden kann. Indem er zum Beispiel nicht noch Ressourcen wie Spielzeuge, oder Futter mit in Kontakte zu anderen Hunden bringt und die Konkurrenzgedanken damit noch ungewollt anheizt. Gegenstände und „Schätze“ wie Futter, haben beim Training mit Hunden, die sich aggressiv gegenüber Artgenossen verhalten nichts zu suchen und täuschen leider eine vermeintliche Kontrolle durch Ablenkung vor. Sie werden aber zur Falle, sobald sich dann ein anderer Hund nähert und es dann plötzlich auch noch um die Verteidigung von Futter und Ball geht.
Ablenkung ist eben nur Ablenkung vom Problem und nicht Erziehung.
Ein/e gut/r Hundetrainer*in kann Hilfe bieten um den Hund kontrollierbar zu machen und erzieherisch so fit, dass er beim Besitzer*in bleibt und niemanden Streit aufzwingt. Eine fachliche Beratung bringt Aufklärung über Normalverhalten und wirklich auffällige, soziale Defizite.
Ebenso die Aufklärung über Absicherungsmaßnahmen wie Maulkörbe oder andere Hilfsmittel, Krankheiten die sich negativ auf die Stimmung auswirken, oder eingeschliffenes Fehlverhalten ohne eine echte emotionale Absicht dahinter. Vielleicht hat sich der Hund auch einfach nur einen blöden Umgang angewöhnt und hat an sich überhaupt kein wirkliches Problem mit anderen Hunden. Auch das kommt wirklich häufig vor.
Wäre doch schade, wenn der Besitzer*in dann ewig denkt, dass der Hund keinen Kontakt zu Anderen haben kann, obwohl das mit einem einfachen Umlernen des Verhaltens im Erstkontakt möglich wäre.
Auch da kann ein/e Hundetrainer*in helfen einzuschätzen, wie viel echte Unverträglichkeit und wie viel dumme Angewohnheit hinter einem Verhalten stecken.
Aufklärung und Übersicht ist alles.
Damit erlangt der Besitzer eines unverträglichen Hundes Sicherheit und eine echte Handlungsfähigkeit zurück und kann verantwortungsvoll mit dem Potenzial seines Hundes umgehen. Zusätzlich kann es manchmal hilfreich sein, den Hund im Sozialverhalten nach zu schulen und mit einer gut geführten Raufergruppe gezielte Begegnungen zu schaffen, in denen er sich in fairer Auseinandersetzung üben darf. Auch der Besitzer*in lernt da Situationen besser ein zu schätzen und Möglichkeiten einen Kampf zu vermeiden oder zu unterbrechen. Oft zeigen sich übrigens auch hier vermeintlich völlig unverträgliche Hunde in solchen Gruppen viel differenzierter und manch ein Hund kann nach so einem Training auch wieder mit vielen anderen Hund in einen friedlichen Kontakt treten.
Mit all diesen Möglichkeiten kann man mit einem unverträglichen Hund verträglicher machen, oder einfach ein schönes Leben verbringen, ohne das irgendwer zu Schaden kommt und ohne den Hund verbiegen zu wollen.
Essenz:
1. Nicht jeder Hund, der sich unverträglich zeigt ist es wirklich. Manchmal hat er sich nur im Erstkontakt etwas Blödes angewöhnt, was über Erziehung lösbar ist.
2. „Nett“ und „gut erzogen“ müssen nicht unbedingt gleichzeitig auftreten.
3. Manche Hunde sind einfach mit fremden Hunden lebenslang unverträglich. Meistens auf Grund ihrer Genetik und angezüchteten Eigenschaften. Egal wie toll der/die Besitzer*in ist.
4. Ein sicherer Rückruf, Leinenführigkeit und ein verbindliches beim Besitzer bleiben können Hundes bringen mehr Sicherheit, als die Hoffnung in die „Nettigkeit des Charakters“, oder „glückliche Fügung“.
5. Maulkörbe sind Freunde, kein Zeichen von Inkompetenz.
Alle Rechte daran verbleiben aber bei der Autorin Maren Grote